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Siehst Du mich?

Ethik und Verantwortung im Angesicht des Anderen

»Siehst Du mich?« – Angesichts heutiger Zeiten von Krieg, Krise und Spaltung ist die Frage nach »dem Anderen« und seiner konkret erfahrenen Lebenswirklichkeit, nach seiner Geschichte, Sichtbarkeit und Anerkennung, nach seiner Verletzlichkeit, Bedürftigkeit und Bedrohung und damit verbunden nach unserer ethischen Verantwortung differenziert und dringend zu stellen.

Die Frage nach »dem Anderen« ist Ausgangspunkt der Ethik des jüdischen Philosophen Emmanuel Levinas (1906–1995). Aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus und in Auseinandersetzung mit der Schoah bestimmt Levinas die Verantwortung für den Anderen als die Grundlage der Ethik. Für Levinas ist der Andere »das, was ich nicht bin.« In seiner Andersartigkeit bleibt mir der Andere »unendlich transzendent, unendlich fremd«, aber sein Antlitz, »das nach mir ruft, bricht mit der Welt, die unsere gemeinsame Welt sein kann.« Das »Von-Angesicht-zu-Angesicht« ist ein ethisches Beziehungsgeschehen und konstituiert sich in der Unverfügbarkeit und Trennung des Anderen von mir. Im Antlitz manifestiert sich die Nacktheit, Verwundbarkeit und Not des Anderen. Es ist der Ort, an dem ich dem Anderen begegnen und mich selbst als Mensch erkennen kann. Denn das Angesicht stellt mein Selbst in Frage; es verneint den Anderen und sein Leiden nicht und ruft mich zur Antwort, Anerkennung und Verantwortung auf und findet seine ethische Zuspitzung in dem Imperativ: »Du wirst mich nicht töten« (Totalität und Unendlichkeit 2014, 277–318).

Unsere Kampagne »Siehst Du mich?« ist in Anschluss an Levinas’ Ethik Aufruf und Programm zugleich. Zerbricht die gegenwärtige Menschheit an ihrer Unterschiedlichkeit und Diversität und der Mensch an dem Anderen, der ihm so getrennt, fremd und unzugänglich ist? Ersticken Abgrenzung und Ablehnung, Diskriminierung und Extremismus bis hin zu Hass, Leid und Gewalt die Menschlichkeit des Anderen? Für wen gilt die Gewissheit »Du wirst mich nicht töten« nicht mehr? Und wie können wir Frieden und Gesellschaft gestalten, in der unsere Verantwortung gegenüber dem Anderen sichtbar und unsere demokratisch-freiheitlichen und jüdisch-christlichen Grundüberzeugungen eingelöst werden?

»Siehst Du mich?« – Ja, das wollen wir versuchen. Wenn auch Sie hinsehen wollen, sind Sie herzlich in die Akademie eingeladen.


Veranstaltungen der Kampagne

03.07.2025

Frau Sein in Gesellschaft und Gegenwart

02.07.2025

Vom Traum der Eigenschaftslosigkeit

01.07.2025

Menschlich, Allzumenschlich, KI?

26.06.2025

Frieden in Zeiten des Krieges

02.06.2025

Vom Traum der Eigenschaftslosigkeit

26.05.2025

Radikalisierung auf dem Vormarsch. Eine Herausforderung für die Demokratie

20.05.2025

Eine gute Gesellschaft. Wie gerecht ist unser Sozialstaat?

13.05.2025

Versöhnungstheater - Zur Erinnerungskultur in Deutschland

31.03.2025

Vom Traum der Eigenschaftslosigkeit

25.03.2025

Ein gutes Leben. Welche Verantwortung (er-) trägt die Gesellschaft?

10.03.2025

Vom Traum der Eigenschaftslosigkeit

27.02.2025

Die unsichtbare Grenze

18.02.2025

Münsteraner Streitgespräche

17.02.2025

Vom Traum der Eigenschaftslosigkeit