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Menschenwürde am Ende des Lebens

Klaus Hampel (Hg.)

Dokumentation einer Kooperationstagung der Akademie FRANZ HITZE HAUS mit der Katholischen Universitätsklinikenseelsorge Münster am 8. November 2003 in der Akademie Franz Hitze Haus

 

Wie bedeutsam es ist, das Thema der Menschenwürde, und zwar sowohl was die Problematik am Anfang des Lebens als auch am Ende des Lebens angeht, in einer Katholischen Akademie immer wieder zur Diskussion zu stellen, zeigt ein Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. September 2003. Die Zeile, die dem aufmerksamen Leser zum Nachdenken Anlass gibt, lautete nämlich: „Die Würde des Menschen war unantastbar. Abschied von den Ver-fassungsvätern.“ Was war passiert?


In der jüngsten Lieferung des unter den Herausgebernamen von Theodor Maunz und Günter Dürig firmierenden Kommentars des Grundgesetzes ist die Neubearbeitung der Kommentierung zu Artikel 1 Absatz 1 enthalten, dessen erster Satz feststellt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Seit 1958 war der Text des angesehensten Grundgesetzkommentars an dieser Stelle nicht verändert worden. Der Herausgeber Dürig hatte hier das Fundament der Verfassungsauslegung verankert. Die Neubearbeitung, für die der Bonner Staats-rechtslehrer Matthias Herdegen verantwortlich zeichnet, markiert nach dem Urteil des früheren Bundesverfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde eine Zäsur in der Nachkriegsgeschichte, einen Epochenbruch. Böckenförde legt in seinem Beitrag dar, dass der neue Kommentar die Menschenwürde der Abwägung und damit dem Zugriff der Interpretation ausliefert. Und wir fügen hinzu, dass das Verständnis von der Würde des Menschen nach Artikel 1 des Grundgesetzes nicht zuletzt bestimmt ist durch das christliche Verständnis von der Gottebenbildlichkeit aller Menschen. Und das wird durch diese Neukom-mentierung massiv in Frage gestellt. Aus diesem aktuellen Anlass haben wir diese Thematik, die im übrigen auch das Motto der „Woche für das Leben 2004“ lieferte, mit unserer Akademietagung vom 8. November 2003 aufgegriffen, um zur Nachdenklichkeit und Diskussion und zu einer Orientierung beizutragen.


„Sie sind wichtig, weil Sie eben Sie sind. Sie sind bis zum letzten Augenblick


Ihres Lebens wichtig, und wir werden alles tun, damit Sie nicht nur in Frieden sterben, sondern auch menschenwürdig leben können bis zuletzt.“


Dieses Zitat von Cicely Saunders ist bei alten und sterbenden Menschen von ganz besonderer Bedeutung. Es drückt nämlich jene Wertschätzung aus, die die wesentliche Voraussetzung für die Gewährleistung eines menschenwürdi-gen Lebens bis zuletzt darstellt. „Altern und Sterben in Würde“ ist mit vielschichtigen Fragen und Inhalten verbunden: Soll z.B. ein hochbetagter Mensch eine Organtransplantation oder einen Schrittmacher erhalten? Gibt es ein uneinge-schränkt „selbstbestimmtes oder autonomes Leben“? Dürfen Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens abgebrochen werden?


Gerade die Diskussion der jüngeren Vergangenheit hat außerdem den immensen sozialen und ökonomischen Druck deutlich werden lassen. Ein großer Teil des Budgets wird durch alte und pflegebedürftige Menschen aufgebraucht, so dass sich manche die Frage gestellt haben, ob man den alten Menschen bei ihrer eingeschränkten „Lebensqualität“ und Leistungsfähigkeit alle Leistungen des Gesundheitswesens zukommen lassen muss. Müssen oder dürfen Gesundheits-leistungen also für chronisch kranke Menschen rationiert werden?


Vielfach ist im Alter der wahre Wille des Patienten oft nicht einfach zu erkennen. Darüber hinaus liegen Patientenverfügungen immer noch nur relativ selten vor. Und nicht zuletzt ist die Entscheidung darüber, lebensverlängernde Maß-nahmen abzubrechen und nur noch palliative (lindernde) Maßnahmen durch-zuführen, keineswegs einfach zu treffen.


Die vorliegende Dokumentation enthält die Referate einer Akademietagung, die in Zusammenarbeit mit der Katholischen Klinikenseelsorge an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster durchgeführt wurde. Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich bei Herrn Pfarrer Prof. Dr. Gerd Fasselt für die konstruktive und unproblematische Zusammenarbeit. Schließlich danken wir den Autoren für das Einverständnis zur Veröffentlichung der Beiträge dieser Dokumentation.


edition akademie franz hitze haus; 6
Münster: dialogverlag, 2004
ISBN 3-933144-90-6, Preis: 3,- €

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