Ethisches Verhalten begleitet menschliches Leben Tag für Tag. Denn als Wesen mit Entscheidungsfreiheit steht der Mensch ständig vor der Frage: Was soll ich begründeterweise tun? Oder lassen? Ob im Hinblick auf ganz persönliche Lebensentscheidungen, im Kontext von Familie, Beruf, Öffentlichkeit: richtiges oder falsches Tun oder Unterlassen zeitigt Folgen. Nicht (ethisch) zu handeln ist unmöglich.
In den letzten Jahren ist zu beobachten: Die Herausforderung ethischen Handelns ist Thema des öffentlichen Diskurses – um nur einiges zu nennen: Ist aktive Sterbehilfe legitim? Soll Präimplantationsdiagnostik (PID) sein? Darf der Staat CDs mit den Daten mutmaßlicher Steuersünder erwerben?
Ethisches Fehlverhalten wird angeprangert und bewertet: etwa die schon erwähnte Steuerhinterziehung, unseriöse Bankgeschäfte („Heuschreckensyndrom“) oder diverse „Amigo-Systeme“ in Politik und Wirtschaft.
Wird da manchmal von (un-)berufener Seite übers Ziel hinausgeschossen? Hüten selbsternannte Tugendwächter Ihre Deutungshoheit wie einst die Gralsritter ihren Kelch? Andererseits: sinkt in unserer Gesellschaft der ethische Grundwasserspiegel? Wird zunehmend ethisches Fehlverhalten derer, die es zu verantworten haben, nicht einmal mehr als solches gesehen: als falsches Tun?
Diesen (und weiteren) Fragen hat sich im Jahre 2013 eine Tagung der Akademie Franz Hitze Haus mit dem Titel „Terror der Tugenden? Öffentliche Moral in individualisierter Gesellschaft“ gewidmet. Die beiden Texte dieses Bandes entstammen dieser Tagung. Über Tag und Tagung hinaus sind sie relevant, weil sie Vergewisserungen bieten: Denn philosophisches Denken ist „Arbeit am Begriff“. Darum sind die begrifflichen Differenzierungen des ersten Beitrags hilfreich. Und weil es keine Alternative gibt, begründete Ethik in geschichtlichen Dimensionen zu denken – Zukunft braucht Herkunft! – gibt der zweite Beitrag wertvolle Orientierungen aus den Anfängen. Ethik: Beginn und Begriff – diese thematische Doppelung legt den geistesgeschichtlichen Beginn abendländischer ethischer Reflexion offen und bringt Klarheit in das Dickicht ethischer Begriffe und Motive. Die Offenlegung von Geschichte und begriffliche Aufklärung mag Orientierung bieten für ethisches Denken und Handeln heute.
Dr. Raimund Litz, Grundfragen und Grundbegriffe der Ethik
Schriften der AKADEMIE FRANZ HITZE HAUS XVII
hg. von Martin H. Thiele und Thomas Sternberg
Münster: Verlag der AKADEMIE FRANZ HITZE HAUS, 2015
ISBN 978-3-930322-66-4, Preis: 7,- €