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Was jetzt „auf dem Tisch liegt“ – Reflexionen zur Tagung anlässlich der Pieper-Preises an Bischof Robert Barron

Dr. Johannes Sabel, Direktor Akademie Franz Hitze Haus, 31.7.2025

Mit wenigen Tagen Abstand zu dem Wochenende, an dem die Tagung und die Verleihung des Josef-Pieper-Preises an Bischof Robert Barron durch die Josef-Pieper-Stiftung stattgefunden hat, ist es aus meiner Sicht als Vertreter der Akademie Franz Hitze Haus, die der Tagungsort war, angezeigt, auf das Geschehene zurückzublicken und zu fragen, was dies für die Akademie und perspektivisch auch darüber hinaus bedeuten kann.

Das Symposium der Josef-Pieper-Stiftung fand als Gasttagung in den Räumlichkeiten der Akademie Franz Hitze Haus statt. Bischof Barron wurde im Vorfeld von unterschiedlichen Seiten inner- und außerkirchlich kritisiert insbesondere mit Blick auf sein Verhältnis zu Donald Trump, seinem Blick auf queere Menschen und grundsätzlicher noch hinsichtlich seines Verständnisses und seiner Praxis von Evangelisierung. Die mediale Aufmerksamkeit war im Vorlauf der Tagung hoch – Deutschlandfunk, WDR, Kirche und Leben, Tagespost, katholisch.de, uvm. beschrieben und kommentierten die Kontroversen um die Preisverleihung.

Standpunkt der Akademie war dabei durchgehend, dass auch kritisch zu beurteilende Positionen und Aussagen, die bei Bischof Barron sichtbar sind oder vermutet wurden, dennoch einen Raum in der Akademie haben müssen. Betont wurde dabei insbesondere von meiner Seite als Repräsentant der Akademie, dass die Möglichkeit zur Auseinandersetzung, zur Diskussion und auch zum Verstehen anderer, ggf. auch irritierender Positionen, stattfinden können muss. Dies nicht zuletzt auch aus der grundlegenden Erwägungen heraus, dass eine zunehmend polarisierte und heterogene Gesellschaft und Kirche Orte und Formen der Verständigung gerade auch bei sehr divergierenden Auffassungen braucht. Mit diesem Grundverständnis arbeitet die Akademie, es gehört zu ihrer Kultur und ihrem Selbstverständnis. Unter diesen Voraussetzungen, die die Akademie im Vorfeld an verschiedene Stellen öffentlich betont hat, fand die Tagung statt.

Die Josef-Pieper-Stiftung hat sich im Aufbau der Tagung dazu entschieden, keine Fragen seitens der Publikums zuzulassen. Es kam zu keiner gemeinsamen Diskussion. Dabei wurden von den Vortragenden viele, auch unerwartete Lesarten Piepers geliefert und nicht zuletzt das Podiumsgespräch mit Bischof Barron hat eine Reihe von Fragen nahegelegt, die es auch angesichts der öffentlichen Diskussion verdient hätten, gestellt und gemeinsam diskutiert zu werden. Aber der Weg des Dialogs gerade auch angesichts der kritischen Anfragen im Vorfeld der Tagung wurde nicht ermöglicht. Aus meiner Sicht ist dies eine vergebene Chance für die Stiftung, denn sie hätte zeigen können, dass sie in der Gegenwart steht, deren Ambivalenzen wahrnimmt, reflektiert und in den Dialog bringt. Dass dies nicht stattgefunden hat, ist gerade angesichts eines sehr diskussionsfreudigen Philosophen, Josef Pieper, der ja Namensgeber des Preises ist und programmatische Bedeutung für die Preisverleihung hat, irritierend. Davon abgesehen entspricht die Vermeidung von Diskussionsmöglichkeiten nicht der Idee und dem Grundverständnis einer Akademie, die sich als Ort von Austausch und Dialog versteht. Die in der Tagung methodisch ausgeschlossene Möglichkeit auch nur einiger weniger Fragen wirkt wie eine diskursive Abkapselung von der diskursiven Wirklichkeit, die sich doch vor der Tagung so deutlich gezeigt hat.

Die Pieper-Stiftung hat bestimmte Medien zu der Tagung zugelassen, öffentlich rechtlichen Medien wie dem WDR die Akkreditierung verweigert. Auch das widerspricht dem Öffentlichkeitscharakter und der grundsätzlichen Diskursoffenheit einer Akademie – und der Eindruck wird verfestigt, dass es der Pieper-Stiftung um Diskurskontrolle geht. Für die Akademie bedeutet dies für die Zukunft, dass solche Reglementierungen auch für Gasttagungen nicht mehr vorkommen dürfen.

Auf der anderen Seite war es bemerkenswert, dass seitens der Kritiker:innen keine:r bei der Tagung anwesend war. Jede:r mag einen individuellen Grund dafür haben – keine Zeit, keine „Lust“ darauf, sich die erwartete Form der Theologie oder den erwarteten Blick auf Kirche und Gesellschaft auszusetzen, etc. Doch die Kritik alleine in „Distanzgefechten“ zu formulieren und dies über Insta-Posts dann noch zu bekräftigen, ohne die Gelegenheit zu nutzen, sich vor Ort einen unmittelbaren Eindruck des Kritisierten zu bilden – das deutet nicht darauf hin, dass dem direkten argumentativen Austausch hinsichtlich eines Erkenntnisfortschritts eine Chance eingeräumt wird. Und es zeigt, dass es offenbar auf beiden Seiten wenig Bemühen gibt, über das Freund Feind-Schema hinauszukommen. Dabei ist das Überwinden des Freund-Feind Schemas nicht als Selbstzweck zu verstehen, denn es gibt Positionen, die mit Recht unversöhnlich sind, gerade wenn es um Fragen von Anerkennung, Menschenwürde, Demokratie geht. Doch nicht den Versuch zu machen, mit dem anderen direkt ins Gespräch zu kommen, Argumente auszutauschen und dabei der Vernunft und unserem Verbundensein als Menschen doch noch etwas zuzutrauen, das macht mir Sorgen.

Es zeigt sich, dass wir eine schwierige Aufgabe vor uns haben – als Akademie, als Kirche und darüber hinaus. Für die Akademie ist deutlich geworden, dass unser Vertrauen in die Möglichkeit eines echten Gesprächs bei dieser Veranstaltung zu hoch war. Hier hätten wir als Akademie gegenüber der Josef-Pieper-Stiftung deutlich stärker Einfluss auf den Aufbau der Tagung dahingehend nehmen müssen, dass es zumindest eine Phase gibt, in der Fragen und Diskussion möglich werden. Ich glaube, das wäre für alle Seiten – die Pieper-Stiftung, Bischof Barron, die Teilnehmer:innen, die Kritiker:innen – am Ende ein Gewinn gewesen, da deutlich geworden wäre, dass wir in Kontakt treten möchten. Wir könnten uns zumindest zuhören und uns in dieser schlichten Form und als Menschen mit Geschichte, mit Perspektiven, mit Fragen anerkennen. Diese Chance haben wir vertan und es auch der Josef-Pieper-Stiftung erspart, ihre eigene Bereitschaft zu Austausch und Diskussion unter Beweis zu stellen.

In jedem Fall wird die Akademie zeitnah die nun so offensichtlich gestellte Frage, wie wir angemessene Diskussionen bei polarisierenden, emotional (oft ja mit Recht) aufgeladenen Themen kirchlich und gesellschaftlich produktiv und zum Wohle aller führen können, aufnehmen und weiterverfolgen.