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nach.gefragt - Stefan Querl

Wie gestaltet sich das Verhältnis von Demokratie und Kirche?

Stefan Querl (Villa ten Hompel, Münster) beantwortet diese Frage wie folgt:
 

„Unser Kreuz hat keine Haken!“
Als dieser Satz im Juni in der evangelischen Kreissynode in Kinderhaus fiel, sprach er mir tief aus der Seele, denn Hass und Hetze können niemals eine Meinung sein. Aus ihnen spricht nur Menschenverachtendes. Der Schutz aller Schwachen hingegen gehört für mich zur DNA des Christlichen. Hass und Hetze sollten aber auch rote Linien für alle bilden, für die drei Religionen Abrahams und für andere Glaubensrichtungen: Kirchen, Synagogen, Moscheen sind gleichermaßen gefordert in unserem Lande zu warnen, wenn Rechtsextremismus sich in verlogen-falscher Menschenfischerei versucht oder neue Sündenböcke züchtet. Wohin das führt, wissen wir alle. Wehren wir deshalb den Anfängen.

„Da kann man nichts machen“, das sei ein „gottloser Satz“, hat die Theologin Dorothee Sölle auf Katholiken- und Kirchentagen gewarnt, als ich junger Konfirmand mit 14 war. Jetzt mit Ende 40 weiß ich, dass wir (Mit-)Macherinnen und Macher sein müssen in der Gesellschaft – ohne allerdings der akuten Gefahr zu erliegen, besserwisserisch aufzutreten. Angesichts der Tatsache, dass beide großen Konfessionen in Deutschland historisch lädiert sind, dass sie eben erst mühsam in Schuld und Schmerz nach der Diktatur des NS-Gewaltregimes und dem Zweiten Weltkrieg gelernt haben, zu der Demokratie zu stehen (und in der Zeit der deutsch-deutschen Teilung bis 1989/90 erneut hart und heftig auf Proben gestellt wurden), verbietet sich jeder hoch erhobene Zeigefinger oben auf den Kanzeln.
Zuhören bleibt für die Kirchen in unserer Demokratie die wichtigste Technologie. Sofern wir glauben, mit der Bibel per se eine bessere Politik machen zu können, tun Differenzierungen Not: Überlegtheit statt ethisch-moralischer Überlegenheit!
Taten statt Warten.
In Nächstenliebe und im Nachdenken und Diskutieren über das, was unsere Welt auch abseits des Religiösen zusammenhält und was die Achtung der Menschenwürde in Konkretion bedeutet.
Das ist „unser täglich Brot“ im Sinne der Bergpredigt: Sich zu Wort zu melden, ohne stets das letzte Wort zu beanspruchen.


Stefan Querl leitet den Geschichtsort Villa ten Hompel, die NS-Erinnerungsstätte der Stadt Münster. Er stammt aus einem evangelischen Pfarrhaus am Niederrhein und engagiert sich u.a. sehr in der Ökumene und im christlich-jüdischen Dialog. Für die Region Münsterland ist er der Sprecher des parteiübergreifenden Bündnisses „Gegen Vergessen Für Demokratie“

Bildrechte Porträt: Silvi Kühne