nach.gedacht – Jubiläum Zehn Jahre Enzyklika Laudato Si´

von Lina-Marie Ostertag, Akademiedozentin Kath.-Soziale Akademie Franz Hitze Haus
Der Frühling in diesem Jahr war der trockenste Frühling seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland und voraussichtlich wird auch der Sommer überdurchschnittlich heiß und trocken. Am 3. Mai 2025 war „Erdüberlastungstag“ in Deutschland und seitdem leben wir wieder nur „auf Pump“, denn alle rechnerisch uns zustehenden Ressourcen der Erde sind für dieses Jahr aufgebraucht. Und als Anfang April der neue Koalitionsvertrag vorgestellt wurde, stellte sich heraus, dass in diesem frisch vereinbarten Vertrag zwischen der Union und der SPD das Thema Klima nicht explizit erwähnt wird.
Vor zehn Jahren – am 24. Mai 2015 – veröffentliche der jüngst verstorbene Papst Franziskus seine Enzyklika Laudato Si´. Das Schreiben „Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ zeigt die ökologische Krise als moralische und soziale Herausforderung heutiger Zeit. Der Papst betont die Dringlichkeit des Klimawandels, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und die daraus resultierenden sozialen Ungerechtigkeiten.
„Diese Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr durch den unverantwortlichen Gebrauch und Missbrauch der Güter zufügen.“ (LS 2)
Die Enzyklika sollte für Aufsehen sorgen und ein Appell sein, denn im Jahr der Veröffentlichung standen wichtige Verhandlungen in Bezug auf den Klimaschutz an. Franziskus wollte den Finger sprichwörtlich in die Wunde legen mit seinem Schreiben, das ein immenses mediales Echo auslöste. Mit der für einen kirchlichen Text ungewöhnlichen Sprache, in der die Enzyklika verfasst ist, hat sie offensichtlich viele Menschen erreicht, aufgeweckt, provoziert, sowie Zustimmung und Kritik ausgelöst.[1]
„Angesichts der weltweiten Umweltschäden möchte ich mich jetzt an jeden Menschen wenden, der auf diesem Planeten wohnt.“ (LS 3)
Mit allen Menschen über die Zukunft dieses gemeinsamen Hauses in Dialog zu kommen, das wollte die Umweltenzyklika ermöglichen. Papst Franziskus übte harsche Kritik am Gesellschafts-, insbesondere auch am Wirtschaftssystem. Laudato Si´ bietet eine wissenschaftlich abgesicherte Auseinandersetzung mit der damals aktuellen Lage und dem Wissen über die ökologische Krise. Zugleich wird sie dem Verkündigungsanspruch einer Enzyklika gerecht. Dabei spricht Franziskus nicht nur Katholikinnen und Katholiken an, sondern jeden Menschen, der auf diesem Planeten wohnt. Hier kommt – ganz im franziskanischen Sinne – ein sozialer Aspekt ins Spiel: Franziskus betonte die Dringlichkeit seines Anliegens und übte Kritik am Umgang mit der Erde nicht nur um ihrer selbst willen, sondern er ruft zum Dialog für eine gemeinsame Umkehr im Zeichen der Option für die Armen auf. Ökologie und Soziales können nicht isoliert voneinander betrachtet werden.
„Denn es gibt eine wirkliche „ökologische Schuld“ – besonders zwischen dem Norden und dem Süden – im Zusammenhang mit Ungleichgewichten im Handel und deren Konsequenzen im ökologischen Bereich wie auch mit dem im Laufe der Geschichte von einigen Ländern praktizierten unproportionierten Verbrauch der natürlichen Ressourcen.“ (LS 51)
Laudato Si´ betont immer wieder, dass für eine nachhaltige Zukunft Umwelt-, Sozial-, Wirtschafts- und Glaubensfragen zusammen gedacht werden müssen. Der Text war ein dringender Aufruf für eine ganzheitliche Ökologie. Franziskus hebt hervor, dass ein ökologischer Ansatz immer auch ein sozialer Ansatz sein muss, „um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde.“ (LS 49)
Trotz aller Kritik und Warnung bleibt der Text mit seiner Kernbotschaft hoffnungsvoll: Wandel ist möglich!
Zehn Jahre später feiern wir das Jubiläum der Umwelt-Enzyklika, und zugleich ist der Klimawandel bedrohlicher denn je. Zur Veröffentlichung 2015 stand die Frage im Raum, ob die Enzyklika zu einem schlagkräftigen Appell in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsdebatte werden kann. Begriffe wie „ökologische Schuld" oder „Wegwerfkultur" sind in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen und die päpstliche Botschaft ist aktueller denn je. Dennoch scheinen die Erwartungen, die sich mit Laudato Si´ verbunden haben, bisher unerfüllt – weder kam die große Kehrtwende noch hat die Kirche eine Vorreiterrolle beim Thema Klimaschutz.
Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ, Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, sagte bei einer Pressekonferenz zum Jubiläum: „Wir haben den Schrei der Erde nicht gehört – und wenn wir ihn hören, nehmen wir ihn nicht ernst genug. Armut und Not werden noch schlimmer durch Gleichgültigkeit. […] Doch noch ist Zeit zur Umkehr. Noch könnten wir wirklich hinhören.“[2]
Wirklich hinhören – das sollten wir auf die Nachrichten zum Klimawandel und auf die Botschaft von Laudato Si´. Die Umweltenzyklika muss heute, wie damals, als noch dringenderer Appell verstanden werden. Sie ist nach zehn Jahren relevanter denn je und jeder einzelne Mensch, die Gesellschaft, die Kirche und die Politik sollten der Aufforderung von Franziskus folgen: „Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten.“ (LS 14)
[1] Vgl. Heimbach-Steins/Stockmann 2015: "Pope for Planet"? – Laudato Si' als "dringliche Einladung zum Dialog" (LS 14) und das weltweite Echo auf die Enzyklika.
[2] Bischof Wilmer SCJ 2025: 2025-034a-FVV-Steinfeld-Pressegespraech-Schoepfungsverantwortung-der-Kirche_Statement-Bi.-Wilmer.pdf, abgerufen 13.05.2025.