Motor demokratischer Streitkultur statt Insel der „richtigen Gesinnung“

Die Verleihung des Pieper-Preises an US-Bischof Barron in Münster schlägt Wellen, auch ein Symposium in der Bistums-Akademie. Was sagt der Direktor?
Von Johannes Sabel
„Ich bitte Sie, das Symposium der Josef-Pieper-Stiftung mit Bischof Robert Barron als Preisträger in Ihrem Hause, der Akademie Franz-Hitze-Haus, abzusagen.“ Diese und ähnliche Nachrichten erhält die katholisch-soziale Akademie Franz-Hitze-Haus, seitdem bekannt geworden ist, dass der US-amerikanische Bischof Robert Barron der diesjährige Preisträger der Josef-Pieper-Stiftung sein wird.
Worum geht es? Die Josef-Pieper-Stiftung, die sich 1992 gründete, hat es sich zum Auftrag gemacht, das Denken des Münsteraner Philosophen Josef Pieper (1904-1997) für heutige ethische und humane Fragen fruchtbar zu machen. Diesem Zweck folgt die Stiftung durch Publikationen, Symposien, Forschungsprojekte – und die Verleihung des „Josef-Pieper-Preises“, der an „Philosophen vergeben“ werden soll, „die sich durch herausragende Forschungsleistungen auf dem Gebiet des europäischen Denkens auszeichnen“, so ist es auf der Homepage der Stiftung nachzulesen. Bis heute gibt es eine Kooperation zwischen der Stiftung und der Akademie.
Robert Barron und Donald Trump
Mit der Preisverleihung an Robert Barron, der seit 2022 Bischof der Diözese Winona-Rochester ist, hat sich die Stiftung für eine Person entschieden, die insbesondere im US-amerikanischen Raum mit dem Medienunternehmen „Word on Fire“ präsent ist. Dabei geht es um Neuevangelisierung durch Videos, Audios, Bücher, Kurse und vieles mehr. Zu nennen ist hier auch die Filmreihe „Catholicism“ – Millionen von Menschen werden durch diese Formate erreicht.
Barron lehrte an Universitäten in den USA und im Ausland und ist Autor zahlreicher Bücher. Im US-amerikanischen Katholizismus gab es Auseinandersetzungen über eine mögliche Nähe Bischof Barrons zu Präsident Donald Trump und Barrons katholischen Konservatismus. Kontrovers wurde zuletzt Barrons Unterstützung für Präsident Trumps Dekret diskutiert, das Geschlechtsumwandlungen bei Kindern und Jugendlichen verbietet.
Kritik, Demo - Absage?
Die Tagung der Josef-Pieper-Stiftung am 26. Juli 2025 in der Akademie mit dem Preisträger Barron zu verhindern oder durch Demonstrationen gegen den Preisträger Position zu beziehen – solche Appelle erreichen die Akademie. Auch die öffentliche Kritik an der Stiftung und ihrer Entscheidung, den Preis an Bischof Barron zu geben, wird lauter. Andernorts dagegen wird der Preisträger und seine Verbindung zum Denken Josef Piepers gewürdigt und gegen seine Kritiker verteidigt.
Zunächst ist es ein gutes Zeichen, dass es eine Auseinandersetzung über die Preisverleihung gibt und danach gefragt wird, ob das Denken Joseph Piepers mit der Form der Verkündigung und Theologie, die Robert Barron vertritt, in einem inhaltlichen Zusammenhang steht. Eine konservative theologische oder politische Ausrichtung des Preisträgers darf jedoch kein Grund sein, das Symposium der Josef-Pieper-Stiftung in den Räumlichkeiten der Akademie abzusagen – zumal in einem Bistum, das sich in diesen Tagen mit der Demokratiekampagne „Mensch! Lebe Freiheit“ positioniert.
Konstruktiver Streit
Die Akademie sieht es als Kern ihres Auftrages an, ein Ort der Pluralität, der Diskussion, auch des konstruktiven Streites zu sein; einen Raum zu bieten, in dem die Breite der Positionen, die in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft und innerhalb eines weiten Spektrums von Katholizität und Christentum eingenommen werden, formulierbar sind – und auch aufeinandertreffen.
Dazu gehören dann auch Positionen, die etwa dem konservativen Katholizismus zuzuordnen sind, gegebenenfalls auch Nähen zur Politik Donald Trumps haben. Die Akademie darf kein Ort der „richtigen Gesinnung“ werden, in der nur das stattfindet, was die eine oder die andere politische oder religiöse Ausrichtung für gut befindet.
LGBTQI und die Neue Rechte
Was bedeutet das konkret? Ein Symposium der Josef-Pieper-Stiftung, die einen Preis an Bischof Barron verleiht, zu begleiten mit Veranstaltungen und einer Ausstellung, die sich mit der LGBTQI-Bewegung in der Kirche beschäftigen. Oder im Sommer 2025 auch danach zu fragen, welche Allianzen zwischen der Neuen Rechten und bestimmten Formen des katholischen Konservatismus zu beobachten sind.
In einer gesellschaftlich hoch polarisierten Zeit muss es Orte geben, an denen wir die Spannung und auch den Konflikt zwischen sehr unterschiedlichen Positionen und ihren Argumenten aushalten, uns in diesen Spannungen bewegen, sie nicht wegschieben. Also nicht absagen, „canceln“, sondern einbinden in einen Rahmen anderer Positionen. Beziehungen nicht kappen, sondern aufnehmen und mit anderen Perspektiven in Kontakt bringen – das ist die „Agora“, der offene Raum einer katholischen Akademie, die Motor einer demokratischen, pluralen, nicht-ausschließenden Gesellschaft ist.
Der Artikel bei Kirche + Leben.